New Work – Old Trust

Vertrauen: Eine wichtige Währung in der neuen Arbeitswelt

Vertrauen – ein alter Schuh in der Management-Literatur. Und gleichzeitig brandaktuell – denn Vertrauen ist eine unverzichtbare Zutat in der neuen Arbeitswelt. Die Art, wie wir Freischwimmer miteinander und mit unseren Kunden arbeiten, wäre ohne ein großes Maß an Vertrauen nicht denkbar. Und doch haben wir ein gespaltenes Verhältnis zu Vertrauen im Arbeitskontext. Denn das, was wir als vertrauensbildende Maßnahmen in Unternehmen erleben, fühlt sich oft übergriffig oder inszeniert an. Diese Diskrepanz ist uns Anlass genug, das schwammige Konzept Vertrauen näher unter die Lupe zu nehmen – in einem zweiteiligen Blogartikel.

Was heißt Vertrauen?

Eine spannende Perspektive auf diese Frage bietet Systemtheoretiker Niklas Luhmann an. Er betrachtet Vertrauen als Mechanismus zur Komplexitätsreduktion – ein Shortcut unseres Gehirns, um mit dem Chaos der Welt umgehen zu können. Denn die Welt bietet mehr Möglichkeiten, als wir vorhersehen und auf die wir uns vorbereiten können. Deshalb bilden wir Modelle, die der Welt (bzw. unserer Konstruktion ihrer) Ordnung geben. Vertrauen ist so ein Modell. Es überwindet Zeit, schöpft sich aus der Erfahrung des Vergangenen und reicht in die Zukunft hinein – es trifft Vorhersagen darüber, welche der unendlichen Möglichkeiten des noch nicht Geschehenen Realität werden.

Damit schließt Vertrauen einige Handlungsmöglichkeiten aus und eröffnet andere, die andernfalls unattraktiv wären. Ich kann mein eigenes Handeln rationaler ausrichten, wenn ich auf das Handeln anderer vertraue. Vertrauen ist demnach ein „kalkuliertes“ Risiko, eine Art Heuristik, die uns handlungsfähig macht. Denn die Gegenwart, der Moment, in dem wir handeln und entscheiden müssen, ist so kurz und flüchtig, dass wir nicht die gesamte Komplexität der Lage verarbeiten und uns auf alle Handlungsmöglichkeiten vorbereiten können.

Vertrauen heißt, sich aufeinander verlassen zu können, ohne zu wissen, was der andere tun wird.

Dabei geht es weniger um die Akkuratheit der Vorhersage. Vielmehr darum, dass ich meinem Gegenüber bestimmte psychische Motive unterstelle, die ich aus meiner Wahrnehmung seines Handelns ableite. Und auch wenn er unter sich ändernden Umständen ganz anders handelt, vertraue ich darauf, dass er immer noch passend zu diesen Motiven handelt – oder um im Systemtheorie-Sprech zu bleiben: passend zu dem Modell, das ich mir von der Psyche und den Motiven meines Gegenübers gebildet habe.

Vertrauen in der „neuen Arbeitswelt“

Vertrauen ermöglicht also, uns auf andere zu verlassen, auch ohne zu wissen, wie sie genau handeln werden. Es ermöglicht uns, gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit, auch bei hoher Varianz in der Umgebung und in den Handlungen unserer Mitstreiter. Vertrauen ermöglicht damit, auch in dynamischen, unsicheren Umgebungen gemeinsam flexibel und handlungsfähig zu bleiben – es entbindet von der Notwendigkeit, alles genau durchplanen und für alles vorab Vereinbarungen und Regeln vereinbaren zu müssen. Ein absolutes Muss also für die komplexen Herausforderungen der neuen Arbeitswelt! Denn je komplexer die Arbeit und das Umfeld, desto illusorischer wird der Gedanke, dass wir jeden Schritt vordenken, vorgeben und kontrollieren können.

“ #Vertrauen ermöglicht in dynamischen, unsicheren Umgebungen gemeinsam #flexibel und #handlungsfähig zu bleiben
– somit ist es eine wichtige Währung in der neuen Arbeitswelt.“

Vorteil durch Vertrauen

Für alle, die Zahlen und Fakten schätzen noch ein kurzer Schlenker in die Wissenschaft. Die Annahme, dass Vertrauen wirtschaftliche Vorteile bietet wurde schon früh empirisch untermauert, z. B. in der groß angelegten „Work USA“ Studie von 2002. Hier wurde beobachtet, dass die Rendite in Unternehmen mit hohem Vertrauen dreimal so hoch ausfiel wie bei Unternehmen mit niedrigen Vertrauenswerten.

Die dunkle Seite des Vertrauens-Booms

Kein Wunder also, dass so viele Unternehmen in vertrauensbildende Maßnahmen investieren. Leider sind gerade diese oft ungeeignet, um Vertrauen zu bilden (wie Reinhard Sprenger schon vor über 15 Jahren in seinem Beststeller „Vertrauen führt“ feststellte). Denn Vertrauen bildet sich aus Erfahrung und kann nicht angeordnet werden. Aber es kann sehr wohl verhindert werden. In unserem nächsten Blogartikel setzen wir uns mit drei Vertrauensfallen auseinander, die wir regelmäßig in Unternehmen erleben.

2019-07-18T10:03:47+00:00