Selbstorganisation ist nicht das Gegenteil von Führung

Das Konzept der Selbstorganisation wird oft in einem Atemzug mit New Work genannt. Was hat es damit auf sich? Ist das die Zukunft der Zusammenarbeit? Verliert Führung ihre Daseinsberechtigung? Im Gegenteil! Eine kurze Klarstellung zu einem weit verbreiteten Irrtum.

 

Selbstorganisation wird oft als Gegenkonzept zu klassischer Führung gehandelt. Da reagieren viele mit berechtigter Skepsis – “Bei uns bricht doch das Chaos aus, wenn keiner mehr die Führung übernimmt.” Richtig! Ohne Führung steuert ein Unternehmen geradewegs in seinen Untergang. Doch dass Selbstorganisation Führung ersetzt, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Selbstorganisation erfordert Führung – sogar sehr viel davon!

Die Veränderung liegt in der Art der Führung. Bei der hierarchischen Führung steht Macht im Fokus: Wer darf was entscheiden? Wer bestimmt? Wer trägt am Ende die Verantwortung und hat deshalb das letzte Wort? Wer sitzt in welchem Büro? Und leider oft sogar: Wer fährt welchen Firmenwagen? Formale Macht benötigt Gehorsam. Und Gehorsam behindert Innovation, Engagement und Zusammenarbeit im Sinne der Wertschöpfung.

Selbstorganisation bietet im Gegensatz dazu die Möglichkeit, frei und bedarfsorientiert zu handeln und zu kooperieren. Dabei wird mit jedem Schritt in Richtung Selbstorganisation ein Führungskonzept abseits formaler Macht relevanter: Die natürliche Führung. Wenn es keine offizielle Führungskraft gibt, übernehmen Menschen automatisch Verantwortung und Führung – und zwar situationsabhängig. Auch diese Art der Führung erfordert von uns eine hohe persönliche und zwischenmenschliche Kompetenz. Wie berücksichtige und integriere ich unterschiedliche Perspektiven? Wie setze ich meine Meinung durch, wenn ich das Gefühl habe, am besten zu wissen, was die Situation erfordert? Wie gehe ich mit einem Konflikt in einem Team um?

Die natürliche Führung hat dabei einen großen Vorteil gegenüber der hierarchischen. Statt um Macht und Egos stehen die Arbeit und die Wertschöpfung im Fokus. Und der Erfolg eines Teams oder einer Abteilung hängt nicht mehr an einer Person, sondern an vielen. In Unternehmen mit hierarchischem Führungsverständnis werden händeringend gute Führungskräfte gesucht – und damit die eierlegende Wollmilchsau. Sie sollen empathisch und einfühlsam sein, aber auch fest entschlossen und durchsetzungsstark, sie sollen Visionen vermitteln und Inspiration stiften, aber auch kleinschrittig Projekte koordinieren können. Das schöne an der natürlichen Führung ist, dass jeder seine Stärken einbringen und die Führung übernehmen kann – da, wo es Sinn macht.

2018-04-17T06:57:32+00:00